Misslungenes Maibaumstehlen

1. Februar 2023

Jetzt wo, alles längst verjährt und – wie ich hoffe – vergeben ist, kann ich es ja gestehen: Wir, mein Cousin Edgar und ich, wollten einmal einen Maibaum stehlen und sind – wie ich heute sagen muss –   glücklicherweise daran gescheitert. Wir hatten als Teenager absolut keine Ahnung von den Gepflogenheiten beim Maibaumstehlen, hatten keine Ahnung, wie man einen Maibaum stiehlt. Nicht einmal, was wir mit dem gestohlenen Maibaum tun würden, hatten wir uns überlegt.

In einer Straße in St. Valentin hatten die Bewohner einen Maibaum aufgestellt. Den wollten wir stehlen. Zuerst galt es, sich heimlich in der Nacht davon zu stehlen. Ich bewohnte damals ein Kellerzimmer, aus dem es leicht war, heraus zu klettern.

Edgar wohnte ein paar Häuser weiter und brauchte eine Räuberleiter, um aus dem Fenster im Erdgeschoß zu gelangen. Ich ging zu dem Haus und um Edgar aufzuwecken, zog an der Schnur, die Edgar aus dem Fenster hängen ließ. Die Schnur war an einem großen Stein in Edgars Zimmer befestigt. Durch mein Ziehen begann der Stein zu rumpeln und Edgar wachte auf. Da es in dem Haus oft rumpelte, wenn ein Zug vorbeifuhr, schöpften Edgars Eltern keinen Verdacht. Ich half ihm aus dem Fenster und wir schritten zur Tat. Unsere einzige Vorbereitung auf das Maibaumstehlen bestand aus einer Fuchsschwanz-Säge, die ich in der Garage meiner Eltern gefunden hatte.

Wir schlenderten zu dem Maibaum und ich begann etwa einen Meter oberhalb des Bodens zu sägen. Da öffnete sich ein Fenster eines nahen Hauses und eine Frau schrie uns mit Worten an, an die ich mich nicht erinnere. Ich rief: „Komm Fraunz!“ und Edgar rief: „Renn, Poidi!“. Wir schnappten die Säge und rannten davon.

Ich half Edgar per Räuberleiter in sein Fenster und ging heim und kletterte durchs Kellerfenster in mein Zimmer. Durch das Fenster konnte ich gerade noch die Spitze des Maibaums sehen. Und wie ich schon im Zimmer war und das Fenster schloss, sah ich, wie sich die Spitze zur Seite neigte und hörte, wie der Maibaum mit einem lauten Knarren und anschließendem „Fradompf!“ umfiel.

Und nach nur wenigen Augenblicken hörte ich aufgeregte Stimmen durcheinanderrufen und Leute, die auf Kochtöpfen trommelten, um alle Nachbarn aufzuwecken, die sich – so konnte ich es in meinem verdunkelten Zimmer hören – sofort auf die Suche nach den Übeltätern machten. Da war ich heilfroh, dass sich Edgar und ich rechtzeitig aus dem Staub gemacht hatten. Da sind wir gerade noch einer ordentlichen Tracht Prügel entgangen, ganz abgesehen von der Schmach, wenn alle erfahren hätten, dass die braven Mottas-Buben einen Maibaum auf derart schändliche Weise umgesägt hatten.

Am nächsten Tag besuchte unser Nachbar der Herr Tertsch meine Eltern und berichtete von dem Verbrechen. Ich hörte seine Schilderungen und zeigte Interesse, Überraschung und Empörung. Der Herr Tertsch erzählte uns, dass da eine Bande, die auf Mopeds gekommen und entkommen war, den Maibaum umgesägt hatte. Dabei hätten sie sich sehr geschickt angestellt, denn rund um den Baum war ein elektrisches Kabel gespannt. Wenn man angekommen wäre, hätte sich helles Licht eingeschaltet und eine Glocke hätte zu läuten begonnen. Aber die Bandenmitglieder hatten zuerst die Falle deaktiviert und dann den Maibaum mit einer Motorsäge umgesägt.

Dazu muss ich bekennen: Weder ich noch Edgar hatten den Draht bemerkt oder etwas davon gewusst. Wenn der Alarm geschlagen hätte, hätten wir die Tracht Prügel noch der vor dem Maibaumansägen bezogen.

Heute weiß ich, dass wir damals alle Regeln rund ums Maibaumstehlen missachtet hatten. Aber wir waren junge Teenager und niemand hatte uns in Volksbrauchtümer eingeweiht. Denn man bedenke: Das war lange vor Internet, E-Mail und Handy. Das war die Zeit des Vierteltelefons.

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Zufälle gibt es wirklich

16. Januar 2023

Florian Aigner erklärt sehr schön, welche Bewandtnis es mit den seltsamen Zufällen hat: „Dabei passiert jeden Tag so viel Zufälliges auf dieser Welt, dass immer etwas höchst Unwahrscheinliches geschehen muss.“ (Der Zufall, das Universum und du)

Wie Florian Aigner so glaube auch ich nicht an höhere Mächte, die uns die seltsamen Zufälle bescheren. Aber ihren Unterhaltungswert haben diese merkwürdigen Zusammentreffen von Ereignissen dennoch. Ich könnte sie schön erzählen, fände ich nur Menschen, die mir zuhören würden. Darum schreibe ich ein paar dieser Geschichten halt auf.

Telefone, mit denen man Telefonnummern wählen musste

Eine Geschichte, die lang her ist, spielte im Freundeskreis: Ich war mit Michaela und Anita befreundet. Eines Abends wollte Anita die Michaela anrufen. Damals gab es noch – nein! – ausschließlich! –  richtige Telefone, mit denen man die Telefonnummer wählen musste, um mit der gewünschten Person verbunden zu werden. Die Anita hatte sich verwählt und zufällig die Telefonnummer meiner Großmutter gewählt. Zufällig war ich gerade bei meiner Großmutter zu Gast und stand neben dem Telefon als es läutete. Ich hob ab und meldete mich mit meinem Namen. Anita wunderte sich, da sie meinte, ich sei bei der Michaela. Als ich sagte, ich sei bei meiner Großmutter, glaubte die Anita ich würde scherze. Es dauerte eine Weile, bis wir den Sachverhalt aufklären konnten.

Telegramm

Oder nehmen wir Jo Adlbrecht. Ich war bei ihm zu Gast. Er hatte den/das Radio laufen. Gerade als im Radio der Song „Telegram Sam“ von T. Rex lief, klingelte es an der Tür. Es war der Telegramm-Bote, der ein Telegramm für Jo hatte.

Zur näheren Erklärung für jüngere Leute: Telegramme nannten sich Kurznachrichten, die man am Postamt abgeben konnte. Dann wurden die Nachrichten an das Zielpostamt übermittelt, z.B. per Telefon. In diesem Postamt gab es einen Telegramm-Boten. Der schrieb die Nachricht auf einen Zettel – ein Telegramm – und setzte sich sofort aufs Moped oder Fahrrad und brachte das Telegramm an den Empfänger.

„Soulfinger“

Oder nehmen wir die Band „Soulfinger“. Ich war dereinst bei einer Vernissage, zu der Chrono Popp die Musik beisteuerte. Gemeinsam mit zwei Sängerinnen spielte er Soul- und Funk-Klassiker und ich war begeistert. Am Schluss sagte Chrono Popp, dass das hier ein Teil einer größeren Band sei. Die Band heiße „Soulfinger“ und spiele am [Datum] im Reigen in Wien.

Mit der Erfindung von SMS und E-Mail wurde die Kulturtechnik des Telegramm-Versendens obsolet. Und mittlerweile sind auch schon viele Postämter aufgelöst worden und Telegramm-Boten müssten – wenn es sie noch gäbe – sehr weite Wege zurücklegen.

Wenige Tage danach war ich bei entfernten Bekannten zum Essen eingeladen. Ich fragte in die Runde, ob jemand die Band „Soulfinger“ kenne.  „Ja“, sagte der Gastgeber: „Ich bin der Bassist“.

Diese Geschichte erzählte ich einer Freundin, Karin, und sie erzählte sie einem Freund, Thomas. Da eröffnete ihr Thomas, dass er auch in der Band „Soulfinger“ spiele.

Mein Blut

Oder nehmen wir mein Blut. Über einen Freund in Zürich, lernte ich eine Ärztin aus Wien kennen, die gerade über Medikamente gegen Allergien forschte. Dazu brauchte sie Blutproben von Leuten mit Allergien. Ich erklärte mich bereit – und in einem Labor wurde mir – ziemlich viel, wie mir vorkam – Blut abgezapft und in mehrere Röhrchen abgefüllt.

Viele Monate später rief mich Karin – die von der oberen Geschichte – an. Sie habe ihren ersten Arbeitstag in einem Labor gehabt und auf ihrem Arbeitstisch seien die Röhrchen mit meinem Blut gestanden. Normalerweise werden die Namen der Spender anonymisiert. Aber auf diesen Röhrchen klebten Etiketten mit meinem Namen drauf.

Das Lederarmband

Die nächste Geschichte handelte in Spanien, in Conil de la Frontera. Ich wanderte vom Bahnhof zum Campingplatz und fand neben dem Weg ein Lederarmband. Obwohl es mir nicht gefiel, steckte ich es in meine Tasche.
Später am Abend lernte ich am Campingplatz vier junge Frauen aus Deutschland kennen. Eine erzählte: „Es wäre so ein schöner Tag gewesen, wenn ich nicht mein Lederarmband verloren hätte.“ Ich holte das Armband aus der Tasche und fragte: „Ist es dieses?“ Und tatsächlich: Es war es.

Das große H von Perg

1. November 2022

Noch so eine Geschichte, die ich nach langer Geheimhaltung an die Öffentlichkeit trage, noch so eine Geschichte, die längst verjährt und hoffentlich vergeben ist.

Sie handelt in Perg. Dort besuchte ich in den 70er-Jahren das BORG Perg, geb. Mus.Päd. Perg. Am Parkplatz für die Lehrerschaft gab es einen Parkplatz, der mit einem großen D in weißer Farbe gekennzeichnet war. D – wie Direktor. Dieser Parkplatz war der am bequemsten erreichbare Parkplatz und für den Direktor Franz Mayhofer reserviert. Dort parkte er seinen gelben VW K70.

Eines Tages begab es sich, dass der Direktor Franz Mayhofer zum Hofrat ernannt wurde. Darüber freute er sich sehr und weigerte sich fürderhin auch nur zu reagieren, wenn man ihn mit „Herr Direktor“ anredete.

Hier könnte ich eine Erinnerung einfügen. Der Herr Direktor erzählte uns Schülern einmal, dass ihn eine Frage beschäftige: In der Parallelklasse gebe es einen Schüler adeliger Abstammung. Und wenn dessen Mutter zum Elternsprechtag komme, dann wisse er nicht, ob er sie mit ihrem Familiennamen oder mit „Durchlaucht“ ansprechen solle.

Die richtige Anrede war also wichtig, und es war wichtig, dass der Herr Direktor nur mit „Herr Hofrat“ und nicht mit „Herr Direktor“ angesprochen wird.

Und am Parkplatz stand noch immer das große D, das schon ausgebleicht war.

Und nun beginnt die eigentliche Geschichte. Meine Schulkollegen Fritz S. und Josef K. und ich beschlossen, in einer geheimen nächtlichen Aktion zu Schule zu fahren und das ausgebleichte D mit einem großen H zu übermalen. Nach einer Vorbesprechung schritten wir in den Osterferien zur Tat. So um zwei Uhr in der Früh fuhren wir mit Mopeds nach Perg und parkten die Mopeds in gebührender Entfernung. Dann gingen wir, ausgestattet mit einem Malerkübel und einem Malerpinsel, zur Schule. Wer von uns den Pinsel führte und wer Schmiere stand, weiß ich nicht mehr. Aber die Aktion gelang. Als am Parkplatz ein schönes großes H mit der noch feuchten Farbe weiß leuchtete, gingen wir zu den Mopeds und fuhren nach Hause.

Am ersten Schultag nach den Osterferien waren wir gespannt, ob irgendjemand auf das H reagieren würde. Aber nichts geschah. Weder Lehrerschaft noch Schüler noch der Herr Hofrat erwähnten das H in irgendeiner Weise. Es war so, als wäre da immer ein H gestanden.

Ein paar Jahre nach der Tat, war ich im Team der Schülerzeitung. Ein Kollege meinte, er hätte eine heiße Story, denn er wisse, wer damals das H auf den Parkplatz gemalt hatte. Da war ich aber gespannt, denn außer uns drei Tätern wusste niemand, wer das war. Nicht einmal unseren besten Freunden hatten wir das erzählt. Nun, der Kollege von der Schülerzeitung erzählte, dass kurz nach der Tat die Polizei verständigt worden sei.  Die Polizisten haben Spuren gefunden und seien diesen nachgegangen. Doch die Spuren hätten ergeben, dass es der Direktor selbst war, der das H auf den Parkplatz gemalt habe. Um das zu vertuschen, habe man von einer weiteren Untersuchung Abstand genommen.

Nun, zehn Jahre nachdem der Herr Hofrat verstorben ist, darf ich ihn entlasten: Er war es nicht.

Mit fünf Nichtgenügend im Zeugnis der achten Klasse beendete ich vorerst meine schulische Laufbahn und war dann lange nicht mehr in Perg und in der Schule. Einmal aber besuchte ich gemeinsam mit ehemaligen Mitschülerinnen und Mitschülern die Schule. Und es hatte sich begeben, dass in der Zwischenzeit auch unser H verblasst war und durch ein offizielles H ersetzt worden war.

Luftballone, die vom Himmel fallen

27. September 2022

Ich war mit dem Fahrrad unterwegs und sah zwischen Kirchdorf und Gutenhofen ein Ding, das langsam vom Himmel fiel. Im Licht der tief stehenden Sonne funkelte und glitzerte das Ding in vielen Farben und landete schließlich in einem Maisfeld an einer für mich nicht zugänglichen Stelle.

Meine Theorie: Bei dem Ding handelte es sich um einen Kirtags-Luftballon, der irgendwann einmal davon geflogen war, immer höher und höher stieg bis die Luft so dünn war, dass er platzte. Und wieder zu Boden fiel. Vor meinen Augen.

Nun gibt es wohl nicht viele Menschen, in deren unmittelbaren Nähe Luftballone landen. In dieser Hinsicht bin ich wohl eine Ausnahme.

Der erste Luftballon: Kurt Heiligenmann und ich spazierten durch Langenhart. Da landete direkt vor uns ein Luftballon, an dem eine Postkarte hing. Es handelte sich um einen Luftballon-Wettbewerb, bei dem der gewann, dessen Luftballon am weitesten geflogen war. Und Finder werden gebeten, die Postkarte in den nächsten Briefkasten zu werfen. Das war zu einer Zeit, wo es noch viele Briefkästen gab. Kurt Heiligenmann nahm die Karte. Er hatte vor, am nächsten Tag nach Salzburg zu fahren und würde dem Luftballonstarter zusätzliche 200 Kilometer bringen.

Luftballon Nummer zwei: Ich war in der Strengberger Au unterwegs und sah einen Luftballon langsam zu Boden gleiten, ebenfalls mit einem Zettel an einer Schnur. Ich hatte zwar den Luftballon aus den Augen verloren, konnte ihn aber dann im Auwald finden. Besser gesagt: orten. Denn der Luftballon hatte sich in einer hohen Baumkrone verfangen. Und es war unmöglich, ihn zu bekommen. Ich hatte versucht, ein paar Steine nach oben zu werfen, doch er hing zu hoch.

Als ich einige Zeit später wieder durch die Strengberger Au spazierte hing er noch immer dort oben. Aber: Ich machte Begegnung mit Luftballon Nummer drei. Dieser landete direkt vor meinen Füßen und daran war ein Zettel gebunden. In einer mit Filzstift geschriebenen Kinderschrift stand: “Wer diesen Luftballon findet hat sieben Jahre Glück.“

Der Luftballon Nummer vier landete ein paar Meter von mir entfernt in der Donau. Ich war mit dem Rad unterwegs uns beobachtete den Luftballon. Er hatte einen Zettel an einer Schnur befestigt. Dieser Zettel klebte sich an der Wasseroberfläche fest. Mit Steinwürfen versuchte ich den Luftballon zu mir zu treiben. Aber keine Chance. Nie werde ich erfahren, was auf dem Zettel gestanden sein mag.

Jetzt aber das surrealste Luftballonerlebnis: Es war ein sehr windiger Frühlingstag.  Der Wind fuhr in Breitfeld durch ein saftig grünes Getreidefeld. Es schaute wie ein wogendes grünes Meer aus. Und: Durch dieses grünwogende Feld zog ein signaloranger Luftballon in Form eines Delphins. Immer wenn sich die Schnur, an der er befestigt war, verfing, tauchte der Delphin unter und wenn sich die Schnur löste, stieg er wieder auf. Da sich die Schnur alle paar Meter verfing schaute es aus als würde ein oranger Delphin durch ein hellgrünes Meer ziehen und immer wieder Luftsprünge machen, so wie es halt die Art der Delphine ist.

Rolling Stones

Bei der Gelegenheit eine Erinnerung. Ende der 70er-Jahre war ich bei einem Rolling Stones Konzert in einem Wiener Fußballstadion. Die sehr große Bühne bestand aus großen in einem Netz zusammengefügten Luftballons. Am Ende der Show wurde die Bühne entfesselt und sie sauste nach oben. Es war wohlgemerkt eine große Bühne und noch lange sah man sie in den Himmel entschwinden. Irgendwann und irgendwo muss diese Bühne wohl auch gelandet oder vom Himmel gefallen sein. Aber da war ich nicht dabei.

Heller Punkt am Himmel

Bei der Gelegenheit noch so eine Geschichte. Ich saß im Zug von St. Valentin nach Amstetten. Es war früher Morgen. Die Sonne war noch nicht aufgegangen aber der wolkenlose Himmel zeigte bereits erste Anzeichen des Morgenlichts. Am Himmel sah ich einen hellen leuchtenden Punkt, etwa so einen wie die Venus. Nur dieser Punkt, war kein Planet und auch kein Stern.

Als ich später im Büro war – die Sonne war noch immer nicht aufgegangen – sah ich den hellen Punkt von meinem Bürofenster aus. Ich nahm meine Kamera und fotografierte den Punkt. Das Foto habe ich sehr stark vergrößert und da konnte man unscharf aber trotzdem deutlich sehen, dass es sich um einen Ballon handelte, der eine Last transportierte. Ich vermute, dass das ein Wetterballon war. Oder etwas anderes.

Unbekannte Berühmtheiten

27. August 2021

Manchmal frage ich mich: „Was wurde eigentlich aus unbekannten Berühmtheiten?“ Ein Beispiel: Weiß etwa jemand, was aus dem Mädchen wurde, das 1969 bei einem Rolling Stones Konzert im Madison Square Garden lautstark „Paint It Black“ gerufen hat? Das ist auf der Platte „Get Yer Ya-Ya’s Out!“ vor „Sympathie For The Devil“ deutlich zu hören und ist wohl millionenfach gehört worden.

Können tote Gänse glücklich sein?

4. August 2021

Ein Versandhaus bewirbt Dauenpolster mit dem Slogan „Glückliche Gänse – kein Lebendrupf“. Illustriert wird das mit dem Foto einer Schar glücklicher – lebender – Gänse und einem an Gütesiegel erinnernden Icon. Da die einzige Alternative zu Lebendrupf Totrupf ist, frage ich mich, wie glücklich tote Gänse sein können.

Ob andere das auch sehen?

1. August 2021

Manchmal sehe ich Dinge, bei denen ich mich frage, ob andere Leute das auch sehen oder bemerken würden.

Der funkelnde Bahnsteig

Nehmen wir zum Beispiel eine Szene am Bahnhof Steyr Münichholz. Es war Nacht und es regnete. Ich saß im Warteunterstand. Mir gegenüber, auf der anderen Seite der Geleise beleuchte eine Straßenlaterne den Bahnsteig.
Immer wenn ein Tropfen des Regens am Bahnsteig aufschlug, reflektierte er das Licht der Laterne. Dann verlief sich der Tropfen und das Leuchten verblasste.
Da es im Regen aber viele Tropfen gab, die aufschlugen und einen verblassenden Lichtpunkt erzeugten schaute es aus als würde der Bahnsteig funkeln.
Ich war allein auf dem Bahnsteig, so konnte ich niemanden fragen, ob er das Funkeln auch sehe. Und erzählen brauche ich das erst recht niemand. Denn ab der Sekunde zehn meiner Ausführungen stellen meine Zuhörer in der Regel das Zuhören ein. Besonders deutlich zeigen sie mir das, wenn sie – während ich anhebe, etwas zu erzählen – ihr Tipp-&Wischding zur Hand nehmen und zu tippen und wischen beginnen. Entweder liegt das an der Frequenz meiner Stimme oder an meiner langweiligen Art, etwas zu erzählen.
Und ob Leute, die das Funkeln sehen, davon ebenso angetan wären wie ich, werde ich nie ergründen.

Noctiluca scintillans

Das führt uns zurück in eine Zeit, in der ich weder den Begriff Noctiluca scintillans kannte, noch wusste, dass es das gibt. Es war in Südfrankreich am Atlantikstrand und es war Nacht. Ein paar Flaneure zeigten mir, dass der feuchte Sand grünleuchtend funkelt, wenn man mit der Hand drüber streicht. Das faszinierte mich sehr und ich musste diese Information unbedingt weiter geben. Ich zeigte das Phänomen anderen Flaneuren. Die meiste meinten nur gelangweilt: „Stimmt. Das leuchtet.“ und gingen weiter ihrer Wege.
Zu der Zeit gab es weder Internet noch Handy und es dauerte Jahre, bis ich erfuhr, dass es sich bei dem Phänomen um Meereslebenwesen namens Noctiluca scintillans handelte.

Ein frisch gehäuteter Krebs

Springen wir wieder in die nahe Vergangenheit: In St. Valentin gibt es die Johann-Lischka-Brücke über die Erla. Eines Tages schaute ich von dieser Brücke aufs Wasser und sah einen Krebs, der sich gerade gehäutet hatte. Das wollte ich einer Fußgängerin zeigen, die gerade über die Brücke ging. Aber sie war an dem Krebs ebenso minderinteressiert, wie die Flaneure in Frankreich an der Noctiluca scintillans.

Fußball

Ich nehme es den Leuten nicht übel, dass sie von Ereignissen gelangweilt sind, die mich faszinieren. Umgekehrt ist genauso: So geraten manche Leute vor Begeisterung geradezu aus dem Häuschen, wenn sie bei bestem Wanderwetter im Fernsehen ein Fußballspiel anschauen. Ich wiederum finde Fußball derart langweilig, dass ich spätestens nach der Sekunde zehn mein Tipp-&Wischding herausfischen würde.

Das große Jausenwunder von Mariazell

3. September 2017

Nur eine Dreiviertelstunde war ich im Wallfahrtsort Mariazell, der für seine Wunder bekannt ist. Und fast hätte ich dort ein Jausenwunder erlebt.
Die Dreiviertelstunde reichte gerade, um einen kleinen Rundgang zu machen und Lebkuchen zu kaufen.
Als Abschluss kaufte ich mir in einem Supermarkt eine Jause, die in ein weißes Papiersackerl verpackt war.
Ich trug es zur Kasse, bezahlte, nahm das weiße Papiersackerl und wollte schon meiner Wege gehen als die Kassadame rief: „Sie haben das falsche Sackerl!“ Tatsächlich hatte ich mein weißes Sackerl mit jenem der Jausenkäufer hinter mir verwechselt.
Hätte die Kassadame das nicht bemerkt, hätte ich das große Jausenwunder von Mariazell erlebt. Auf wundersame Weise hätten sich meine Wurstsemmel in einen Kornspitz mit Liptauer und die Leberkäsesemmel in ein Wachauerweckerl mit Schnittkäse verwandelt gehabt. Oder auch in etwas anderes. Ich werde es nie erfahren.

Wundersame Worte am Wasserglas

10. Juni 2015

Ich bekam einmal ein Wasserglas geschenkt, in das die Worte „Glück“, „Zufriedenheit“ und „Erfolg“ eingeritzt waren. Im Beipackzettel dazu wurde erklärt, dass das Wasser, das man daraus trinkt, von den Worten aktiviert werde und man auf diese Weise „Glück“, „Zufriedenheit“ und „Erfolg“ zu sich nehme. „Oje!“ dachte ich mir: „Und ich habe jahrelang Wasser aus einem Glas getrunken, auf dem ‚Bier‘ stand.“ Was Wunder, dass ich jetzt so gern Bier trinke. Doch ich habe nun einen Weg gefunden, damit umzugehen: Ich trinke Bier nur noch aus Gläsern, auf denen „Kräutertee“ steht.

Nachtrag: Café au lait

So kann ich Milch sparen. Ich habe ein Kaffeehäferl erstanden, auf dem „Café au lait“ steht. Das befülle ich mit schwarzem Kaffee und schwuppsdiwupps verwandelt er sich in einen Milchkaffee, ohne dass ich zuvor eine Kuh melken muss.

Wenn sich das Reden zu erübrigen droht

17. August 2014

Vor vielen tausend Jahren wohnte ich eine Zeit lang am Margaretenplatz in Wien. In der Zeit kaufte ich zwei- bis dreimal in der Woche Brot in immer der selben Bäckerei. Anfangs verlief der Dialog zwischen der Verkäuferin und mir so: „Guten Tag“ – „Guten Tag, bittesehr?“ „Ein halbes Kilo Mischbrot bitte“ – „Bitteschön. Macht zwölf Schilling. – Danke. – Auf Wiedersehen“ – „Auf Wiedersehen.“
Da ich immer genau ein halbes Kilo Mischbrot kaufte, verkürzte sich der Dialog bald auf „Guten Tag“ – „Guten Tag. Ein halbes Misch?“ – „Ja, bitte“ – „Bitteschön. Macht zwölf Schilling. – Danke. – Auf Wiedersehen“ – „Auf Wiedersehen.“
Wenn ich das Geschäft betrat wusste die Verkäuferin, was ich kaufen wollte und ich wusste, was das kosten werde. Ich überlegte schon, hin und wieder was anderes zu kaufen, um die Gesprächskultur zu intensivieren. Aber das Mischbrot war genau das, was mir am liebsten war. Manchmal, wenn die Verkäuferin gerade im Gespräch mit einer anderen Kundschaft war, begnügten wir uns damit, zu grüßen. Sie legte mir „ein halbes Misch“ auf das Pult und ich legte zwölf Schilling auf die Geldtasse.

Als ich einen Schaffner bestrafen musste

Wo ich allerdings absichtlich schwieg, das war vor wenigen tausend Jahren, als ich einen Schaffner bestrafen musste. Ich fahre täglich mit dem Zug und kann bestätigen, dass die meisten Schaffner ausgesprochen freundlich sind. Allerdings: Auf zirka tausend freundliche Schaffner kommt ein unfreundlicher. Ich hatte damals eine „Presse-Vorteilskarte“, mit der man mit Zweite-Klasse-Fahrkarten auch in der Ersten Klasse fahren durfte. Wenn ein Schaffner nicht genau schaute, dann sagte er meist: „Sie haben eine Zweite-Klasse-Fahrkarte. Möchten Sie aufzahlen oder wollen Sie in die Zweite Klasse wechseln?“ Dann konnte ich ihn darauf hinweisen, dass ich eine „Presse-Vorteilskarte“ hatte und der Schaffner meinte etwa „Ah ja, stimmt.“ Ein Schaffner allerdings reagierte anders: Ich zeigte ihm Fahrkarte und „Presse-Vorteilskarte“. Darauf begann er ohne etwas zu sagen in sein Tippding zu tippen. Ich dachte mir: „Jetzt druckt er bestimmt eine Aufpreiskarte. Aber wenn er nichts sagt, sage ich auch nichts.“ Nach dem Tippen kam mit Ratterpiepsgeräuschen die Karten aus dem Tippding. Der Schaffner riss sie ab und sagte: „Das macht soundsoviel Euro.“ Ich zeigte ihm noch einmal meine „Presse-Vorteilskarte“ und er meinte daraufhin „Des hed ma uns spoan kena“. „Das stimmt“, dachte ich mir, „sprich nur ein Wort.“