Noch so eine Geschichte, die ich nach langer Geheimhaltung an die Öffentlichkeit trage, noch so eine Geschichte, die längst verjährt und hoffentlich vergeben ist.
Sie handelt in Perg. Dort besuchte ich in den 70er-Jahren das BORG Perg, geb. Mus.Päd. Perg. Am Parkplatz für die Lehrerschaft gab es einen Parkplatz, der mit einem großen D in weißer Farbe gekennzeichnet war. D – wie Direktor. Dieser Parkplatz war der am bequemsten erreichbare Parkplatz und für den Direktor Franz Mayhofer reserviert. Dort parkte er seinen gelben VW K70.
Eines Tages begab es sich, dass der Direktor Franz Mayhofer zum Hofrat ernannt wurde. Darüber freute er sich sehr und weigerte sich fürderhin auch nur zu reagieren, wenn man ihn mit „Herr Direktor“ anredete.
Hier könnte ich eine Erinnerung einfügen. Der Herr Direktor erzählte uns Schülern einmal, dass ihn eine Frage beschäftige: In der Parallelklasse gebe es einen Schüler adeliger Abstammung. Und wenn dessen Mutter zum Elternsprechtag komme, dann wisse er nicht, ob er sie mit ihrem Familiennamen oder mit „Durchlaucht“ ansprechen solle.
Die richtige Anrede war also wichtig, und es war wichtig, dass der Herr Direktor nur mit „Herr Hofrat“ und nicht mit „Herr Direktor“ angesprochen wird.
Und am Parkplatz stand noch immer das große D, das schon ausgebleicht war.
Und nun beginnt die eigentliche Geschichte. Meine Schulkollegen Fritz S. und Josef K. und ich beschlossen, in einer geheimen nächtlichen Aktion zu Schule zu fahren und das ausgebleichte D mit einem großen H zu übermalen. Nach einer Vorbesprechung schritten wir in den Osterferien zur Tat. So um zwei Uhr in der Früh fuhren wir mit Mopeds nach Perg und parkten die Mopeds in gebührender Entfernung. Dann gingen wir, ausgestattet mit einem Malerkübel und einem Malerpinsel, zur Schule. Wer von uns den Pinsel führte und wer Schmiere stand, weiß ich nicht mehr. Aber die Aktion gelang. Als am Parkplatz ein schönes großes H mit der noch feuchten Farbe weiß leuchtete, gingen wir zu den Mopeds und fuhren nach Hause.
Am ersten Schultag nach den Osterferien waren wir gespannt, ob irgendjemand auf das H reagieren würde. Aber nichts geschah. Weder Lehrerschaft noch Schüler noch der Herr Hofrat erwähnten das H in irgendeiner Weise. Es war so, als wäre da immer ein H gestanden.
Ein paar Jahre nach der Tat, war ich im Team der Schülerzeitung. Ein Kollege meinte, er hätte eine heiße Story, denn er wisse, wer damals das H auf den Parkplatz gemalt hatte. Da war ich aber gespannt, denn außer uns drei Tätern wusste niemand, wer das war. Nicht einmal unseren besten Freunden hatten wir das erzählt. Nun, der Kollege von der Schülerzeitung erzählte, dass kurz nach der Tat die Polizei verständigt worden sei. Die Polizisten haben Spuren gefunden und seien diesen nachgegangen. Doch die Spuren hätten ergeben, dass es der Direktor selbst war, der das H auf den Parkplatz gemalt habe. Um das zu vertuschen, habe man von einer weiteren Untersuchung Abstand genommen.
Nun, zehn Jahre nachdem der Herr Hofrat verstorben ist, darf ich ihn entlasten: Er war es nicht.
Mit fünf Nichtgenügend im Zeugnis der achten Klasse beendete ich vorerst meine schulische Laufbahn und war dann lange nicht mehr in Perg und in der Schule. Einmal aber besuchte ich gemeinsam mit ehemaligen Mitschülerinnen und Mitschülern die Schule. Und es hatte sich begeben, dass in der Zwischenzeit auch unser H verblasst war und durch ein offizielles H ersetzt worden war.
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