Ob andere das auch sehen?

Manchmal sehe ich Dinge, bei denen ich mich frage, ob andere Leute das auch sehen oder bemerken würden.

Der funkelnde Bahnsteig

Nehmen wir zum Beispiel eine Szene am Bahnhof Steyr Münichholz. Es war Nacht und es regnete. Ich saß im Warteunterstand. Mir gegenüber, auf der anderen Seite der Geleise beleuchte eine Straßenlaterne den Bahnsteig.
Immer wenn ein Tropfen des Regens am Bahnsteig aufschlug, reflektierte er das Licht der Laterne. Dann verlief sich der Tropfen und das Leuchten verblasste.
Da es im Regen aber viele Tropfen gab, die aufschlugen und einen verblassenden Lichtpunkt erzeugten schaute es aus als würde der Bahnsteig funkeln.
Ich war allein auf dem Bahnsteig, so konnte ich niemanden fragen, ob er das Funkeln auch sehe. Und erzählen brauche ich das erst recht niemand. Denn ab der Sekunde zehn meiner Ausführungen stellen meine Zuhörer in der Regel das Zuhören ein. Besonders deutlich zeigen sie mir das, wenn sie – während ich anhebe, etwas zu erzählen – ihr Tipp-&Wischding zur Hand nehmen und zu tippen und wischen beginnen. Entweder liegt das an der Frequenz meiner Stimme oder an meiner langweiligen Art, etwas zu erzählen.
Und ob Leute, die das Funkeln sehen, davon ebenso angetan wären wie ich, werde ich nie ergründen.

Noctiluca scintillans

Das führt uns zurück in eine Zeit, in der ich weder den Begriff Noctiluca scintillans kannte, noch wusste, dass es das gibt. Es war in Südfrankreich am Atlantikstrand und es war Nacht. Ein paar Flaneure zeigten mir, dass der feuchte Sand grünleuchtend funkelt, wenn man mit der Hand drüber streicht. Das faszinierte mich sehr und ich musste diese Information unbedingt weiter geben. Ich zeigte das Phänomen anderen Flaneuren. Die meiste meinten nur gelangweilt: „Stimmt. Das leuchtet.“ und gingen weiter ihrer Wege.
Zu der Zeit gab es weder Internet noch Handy und es dauerte Jahre, bis ich erfuhr, dass es sich bei dem Phänomen um Meereslebenwesen namens Noctiluca scintillans handelte.

Ein frisch gehäuteter Krebs

Springen wir wieder in die nahe Vergangenheit: In St. Valentin gibt es die Johann-Lischka-Brücke über die Erla. Eines Tages schaute ich von dieser Brücke aufs Wasser und sah einen Krebs, der sich gerade gehäutet hatte. Das wollte ich einer Fußgängerin zeigen, die gerade über die Brücke ging. Aber sie war an dem Krebs ebenso minderinteressiert, wie die Flaneure in Frankreich an der Noctiluca scintillans.

Fußball

Ich nehme es den Leuten nicht übel, dass sie von Ereignissen gelangweilt sind, die mich faszinieren. Umgekehrt ist genauso: So geraten manche Leute vor Begeisterung geradezu aus dem Häuschen, wenn sie bei bestem Wanderwetter im Fernsehen ein Fußballspiel anschauen. Ich wiederum finde Fußball derart langweilig, dass ich spätestens nach der Sekunde zehn mein Tipp-&Wischding herausfischen würde.

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