Ich bin ein Retro-Pionier

Zur vorigen Wortspende möchte ich doch anmerken, dass ich eigentlich ein Retro-Pionier bin. Zwei Beispiele, um das zu demonstrieren: Die Hormone bewirken, dass Leute, wenn sie an die dreißig Jahre alt werden, wieder an die Musik denken, die als Jugendliche hörten und an die typischen Kultobjekte jener fernen Zeit. Ich war da schon etwas früher dran als die anderen – und so geschah es, dass ich vor dem 70er-Jahre-Boom und vor „Wicki, Slime & Piper“ von Plattenladen zu Plattenladen und von Altwarentandler zu Altwarentandler zog, um Platten von Alvin Stardust, Suzi Quatro, Mud und Konsorten zu suchen. Das waren Namen, die keinem mehr was sagten. Meine bescheidene Ausbeute waren eine Kassette (!) von Suzi Quatro und ein Sampler, auf dem zwei Lieder von Alvin Stardust drauf waren. Wenige Jahre später waren die 70er dann auf einmal in und ich konnte mir alle die CDs von Stars kaufen deren Platten ich mir als Jugendlicher nie leisten konnte und mit von Freunden aufgenommenen Kassetten (!) vorlieb nehmen musste. Dazu kam, dass ich zwar zur Firmung einen Radiorecorder bekommen hatte, dieser aber nie richtig funktionierte. Keine Ahnung wie oft ich ihn zurück ins Radiogeschäft brachte, um ihn reparieren zu lassen. Aber wozu erzähle ich Ihnen das jetzt? Das erste Beispiel war also meine Vorwegnahme des 70er-Jahre Booms.
Beispiel zwei: Filterkaffee. Vor ein paar Jahren – es war die Zeit als die Kapselespressomaschinen anfingen, in Mode zu kommen – tat ich allerorten kund, dass mir Filterkaffee besser schmecke als Espresso, komme er jetzt von Kapselmaschinen oder sündteuren Vollautomaten. Allenfalls den Kaffee aus den zusammenschraubbaren italienischen Alukaffeekannen ließ ich noch gelten. Und das war keine Modeverweigerung: ich hatte den Filterkaffee – am besten mit Kuhmilch – am liebsten. Wenn ich wo zu Gast war, war es fast unmöglich, Filterkaffee angeboten zu bekommen. Alle hatten ihre Kaffeemaschinen schon weggeräumt oder beim Flohmarkt abgegeben. Und die klassische Kaffeekanne war überhaupt verschwunden. Das heißt: In Geschäften gab es noch Kaffeeservices – bestehend aus Tassen, Untertassen und einer Kanne – zuhauf, doch wenn man schon einmal wo Filterkaffee bekam, dann kam der aus der Glaskanne der Kaffeemaschine und die Porzellankanne ruhte irgendwo in den Eingeweiden der Hinterzimmerkästen.
Ich freue mich, dass ich sowohl Besitzer als auch Benutzer von Keramikkannen bin.
Von meiner Großmutter habe ich einen Melitta-Keramikfilterhalter 101 geerbt, den ich täglich für meine Startertasse Kaffee im Büro verwende. Ich besitze auch zwei Melitta-Keramikfilterhalter 102. Nur mein Viertassenfilterhalter ist aus Plastik; aber früher oder später werde ich auch dafür einen aus Keramik finden. Der Vollständigkeit halber darf ich noch anmerken, dass ich Fairtrade-Kaffee bester Qualität verwende. Und das war auch schon Beispiel Nummer zwei. Seit knapp einem Jahr – mittlerweile gibt es außer meinem keinen Haushalt mehr ohne Espressomaschine – hat sich herumgesprochen, dass Filterkaffee doch der bessere ist. Was ich jetzt doch gestehen muss: die Walküre Keramikkanne mit Keramikfilter, für den man nicht einmal einen Papierfilter braucht, habe ich erst erstanden als sie schon hip war.
Und um noch einmal auf die vorige Wortspende zurück zu kommen: Ich werde mir jetzt tägliche eine Kassette anhören, um die Kassettenretrowelle ins Wallen zu bringen.

Nachtrag, 25.August,2013

Ich freue mich, der Welt bekannt geben zu dürfen, dass ich nunmehr auch einen Viertassenfilterhalter aus Porzellan besitze. Ich habe ihn in einem gut sortierten Geschirrgeschäft in Amstetten erstanden.

Nachtrag, 2022

Vor ein paar Jahren habe ich diesen Viertassenfilterhalter gegen zwei Zimmerpflanzen eingetauscht. Diese Pflanzen sind mittlerweile schon sehr groß

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